Le Mepris (1963)

Regie: Jean-Luc Godard
Nach einem Roman von Alberto Moravia ('Il Disprezzo')
Spielend: Michel Piccoli, Brigitte Bardot, Jack Palance, Fritz Lang
Musikalische Begleitung: George Delerue

Es gibt vielleicht nichts Lächerlicheres als an Lügen zu glauben, und sich ihrem schönen Schein hinzugeben. Und dennoch: manche von uns tun es trotzdem ganz gerne;

In diesem Film erzählt Monsieur Godard - der uns ja immer schon um einiges voraus war - und zuletzt als Bild-Regisseur für die Fussball WM 2006 erneut an medialer Aktualität gewonnen hat - wieder einmal eine schrecklich schöne Geschichte über das Betrügen, den Betrug selbst, und vor allem den Selbstbetrug - über das Verlieren und endgültige Verluste - aber auch über Wissen - all das, was man eben so weiss - und nicht zuletzt eben auch über letzte Gewissheiten. Ein Epos also.

Der Drehbuchautor Paul Javal (Michel Piccoli) arbeitet gemeinsam mit Fritz Lang (Fritz Lang, der sich hier selbst darstellt) an der Verfilmung der Odysee, und reist dazu mit seiner Frau Camille (B.B.) nach Capri.
In der Gewissheit, dass ihn seine Frau nicht mehr liebt, sondern vielmehr verachtet, und sich zudem noch von dem widerwärtigen amerikanischen Produzenten (Jack Palance) anbaggern lässt, bleibt ihm nichts anderes als das - was er liebt, aber immer mehr verliert - ein letztes Mal zu betrachten.
Und was er dabei sieht, ist eindeutig schön: Das ruhige blaue Meer, die nackte Brigitte, diese Insel und die Casa Malaparte, einen lächelnden Fritz Lang.. und noch viel mehr.

Dass solche Geschichten zumeist kein gutes Ende finden, lässt sich ja oft relativ früh erahnen, also können naive und teilnahmsvolle Zuschauer wie wir, meist nicht viel mehr machen als mit-fühlen oder mit-leiden oder sich an-spannen, um sich letztendlich zu ent-spannen. Denn: Alles ist bunt und jedes Ding hat seine Farbe: Der Himmel und das Meer spielen sich mit dem Blau, das Licht fällt in Weiss ein, Brigitte Bardot leuchtet Blond, und der Alfa - mit dem man sich in den Tod treibt - glänzt Rot.

- MOVIE OF THE MONTH


Der Mann band seine Schnürsenkel zu,
und sah dabei die blonde Frau an.


Piccoli und Bardot und Godard.


Villa Malaparte

Casa Malaparte

Wo: Punto Massulla, Capri (IT)
Wer: Curzio Malaparte und Adalberto Libera
Wann: 1938 - 1945
Wie lang: 28.8m
Wie breit: 6m

Über dieses Gebäude ist ja bislang eigentlich schon genug gesagt worden, also warum noch Worte verlieren ? Das Thema 'Verlieren' ist ja schon weiter oben behandelt worden; Lasst uns also zum Wesentlichen vordringen, zu den erbaulichen Fakten..
Der Dichter Curzio Malaparte (1898-1957), der sich schon in jungen Jahren den Faschisten und Mussolini anschloss, hat also in diesen sieben - für das 20. Jahrhundert nicht unwesentlichen Jahren 1938 bis 1945- das schönste Haus der Welt entworfen. Später, nach dem Tod Mussolinis, ist er nach Paris ausgewandert, hat mit Andre Breton zusammengearbeitet, hat 'CAPUTT' und 'DU COTE DE CHEZ PROUST' oder auch 'ANCHE LE DONNE HANNO PERSO LA GUERRA' verfasst, und ist letztendlich 1957 zum Katholizimus konvertiert. Ohne seinen surrealen Kampf wär nicht viel gewesen - soviel ist wohl klar;



* Dennoch ist bislang für alle ambitionierten Architekten der Welt unverständlich geblieben, warum es ausgerechnet einem verwirrten italienischen Dichter gelungen ist, sie alle - die in ihrer vermeintlichen Genialität schwelgen - zu übertreffen.

- BUILDING OF THE MONTH

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Platz 37:

Verwirrung der Gefühle (1926)
Stefan Zweig

Den 37. Platz belegt eindeutig Verwirrung der Gefühle des Österreichischen Autors Stefan Zweig (1881-1942). Diese lange Novelle erschien 1926: ein sehr gutes Jahr, 1926. Das Jahr, in dem Breton Nadja begegnet, in dem die Wege von Bernanos und Satan sich kreuzen und Agatha Christie Roger Ackroyd ermordet. Offensichtlich eines der kreativsten Jahres des Jahrhunderts: In der Zeit zwischen den Weltkriegen schrieben die Leute, ohne zu wissen, dass ihnen bald der Himmel auf den Kopf fallen würde. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte die Habsburger Monarchie noch einiges aufzubieten: Schnitzler, Hofmannsthal, Kraus, Musil, aber auch Rilke und Kafka.. Später, 1942, als Stefan Zweig merkte, dass die Katastrophe von vorne losging, beging er zusammen mit seiner zweiten Frau in Brasilien Selbstmord.

Dieser Zweig ist nämlich ein sensibler Junge, ein Wiener Poet, ein durch die Arbeiten seines Kumpels Sigmund Freud beeinflusster, scharfsinniger und feinfühliger Analytiker des Herzens. Alle seine Bücher erzählen von verhinderter Liebe, von verwickelten Beziehungen, von uneingestandenen oder ungestillten Begierden: Er ist Meister der psychologischen Literatur. Und Verwirrung der Gefühle macht da keine Ausnahme. Dieser in seinen Professor verliebte Student muss in einer Zeit, wo die Homosexualität das Tabu schlechthin ist, am Unglück zugrunde gehen. Roland ist unfähig herauszufinden, was er wirklich fühlt: Ist es Bewunderung, Liebe, Freundschaft, Begierde ? Baggert sein Professor ihn an, ist er selbst ein verrückter Aufreißer oder bloß ein Superstreber, der seinem Meister gefallen will ? Kaum bietet dieser ihm das Du an, rennt er davon und treibt es am Ende, um auf andere Gedanken zu kommen, mit dessen Frau. Das ist sie, die "Verwirrung der Gefühle": Solange es um Erinnerung, Vernunft und Phantasie geht, können wir uns auf unseren Kopf verlassen; sobald aber Leidenschaft ins Spiel kommt, ist es damit vorbei. Dann sind wir uns selbst überlassen. Wann weiß man, ob man wirklich verliebt ist ? Beschließen wir zu lieben, oder überkommt es uns einfach ? Kann man auswählen, wen man liebt, oder begnügt man sich damit, unkontrollierbaren Anwandlungen nachzugeben ? Wie soll man sich im Nebel der menschlichen Seele zurechtfinden ? (Eigentlich hätte der Titel des Buches genausogut "Sturm unter einer Schädeldecke" lauten können.)

Verwirrung der Gefühle, diese subtile Beichte einer Faszination zeigt, wie Pädagogik in Leidenschaft umschlagen kann. Ein solches Erwachen würde ich bei Ihnen auch gerne auslösen! Jeder sensible Schüler kann vor seinem brillanten Lehrer schwach werden. Im Original bei Zweig wird der Lehrer allerdings noch schwächer als der Schüler. Ich persönlich hätte jedoch, wäre ich gefragt worden, nicht dieses Buch gewählt. Man konnte sich auch für Amok entscheiden, die Geschichte dieser Frau in Niederländisch-Indien, der ihr Arzt eine Abtreibung verweigert und die daraufhin stirbt; Oder für Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau: In einer Nacht verliebt sich eine Frau in Monte Carlo in einen Spieler, der sie benutzt um wieder ins Casino zu gelangen; Oder für Ungeduld des Herzens: Auf einem Ball fordert ein Typ ein gelähmtes Mädchen zum Tanzen auf, und um diesen Schnitzer wieder gutzumachen, besucht er sie zu Hause, woraufhin sie sein Mitleid für Liebe hält und sich am Ende umbringt. Als Zusammnfassung für Stefan Zweig schlage ich folgende Formel vor:
Zweig = (Goethe + Freud) x Proust. Ich hoffe, Sie zumindest nicht allzusehr verwirrt zu haben...

[Frederic Beigbeder]

- NOVEL OF THE MONTH




Frederic Beigbeder
'Dernier inventaire avant liquidation'
Editions Grasset & Fasquelle
2001



S.

SEARCH
To become aware of the possiblity of the search is to be onto something. Not to be onto something is to be in despair.

SEARCHING
I am searching... and when I've found something I'll tell you.

SECRETS
I think one of the most fatal things that occurs in an architect's career is the moment when he begins to take himself too seriously - where his idea of himself coincides with what the others think of him - when he runs out of secrets. I've always tried to find means and tactics with which to avoid this.

SEEN
Honey, you ain't seen nothing yet. Wait till tonight.

SEMI-MYTH
Architects do it all night.

SENSITIVE
Deer are sensitive creatures which have to be handled carefully and kept free from stress.

- BOOK OF THE MONTH


S,M,L,XL
O.M.A.
Office for Metropolitan Architecture



Rem Koolhaas